Einleitung: Streitkultur
Unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Meinungen. Dieses Prinzip zählt zum Grundsatz einer Demokratie und gilt ebenfalls für das Zusammenleben von Menschen. Der Grundsatz einer
konstruktiven Streitkultur lautet: Konflikte zwischen Einzelnen und Gruppen sind Normalität. Streitgespräche zählen zu den natürlichen, ja notwendigen Folge eines lebendigen menschlichen
Zusammenlebens. Ein Streit endet mit einer Einigung oder mit dem Sieg der einen über die andere Partei.
Ein konstruktiver Streit beabsichtigt die Einigung, nicht den Sieg.- Ein konstruktiver Streit bedarf Kompromisse. Was aus einseitigen Siegen resultiert, sehen wir allein an den vielen Beispielen
der Geschichte: Der Konflikt gärt weiter - und bricht irgendwann als neuer Streit aus, der dann noch viel massiver ist. Einigungen und Kompromisse bewirken hingegen, dass nach der
offiziellen Beilegung eines Streits die Beziehung zwischen den Konfliktparteien nicht nachhaltig gestört ist. Je besser die Einigung, desto besser die weitere Kooperation.
Das Problem ist folglich weniger, dass es Konflikte gibt, sondern vielmehr, wie Konflikte letztendlich ausgetragen werden: Besonnen und kooperativ oder autoritär bis gewalttätig - sowohl in Worten und der dazu gehörenden Körpersprache - als auch durch tatkräftige Handlungen. Unter einer konstruktiven Streitkultur versteht man, sich einander offen und fair die Meinung zu sagen, ohne den oder die anderen zu verletzen.
Sich zu streiten, ist folglich ein Alltagsphänomen. Streit gilt als etwas grundsätzlich Erlaubtes. Manchmal ist Streit sogar notwendig, zum Beispiel um seine Interessen und Rechte durchzusetzen und/oder zu einer Lösung oder auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, damit es danach wieder konstruktiv weiter nach vorne gehen kann. Grundsätzlich bedarf die Austragung eines Streits der Beachtung von Fairness-Regeln. Werden diese gebrochen, erfolgt entweder das Weghören oder die Eskalation. Ob Depression oder Aggression: Durch Nichtbeachtung der Fairness-Regeln kommt man zu keinem Ergebnis. Grundsätzlich gilt es, zu bedenken, dass alle Streitparteien Rechte haben, selbst jene, die mit ihrer Auffassung aus subjektiver oder objektiver Sichtweise nicht im Recht sind.
Streitgespräche meistern
Streitgespräche zählen zum Alltag. Und das ist gut so. Sonst würden innere Konflikte weiter gären und äußere Konflikte keiner Lösung zugeführt. Streitgespräche finden entweder spontan oder geplant statt. Während es in spontanen Streitgesprächen oft um Kleinigkeiten oder Unsachlichkeiten geht, was entsprechende Schlagfertigkeit erfordert, bedarf ein offizielles Streitgespräch (zum Beispiel im Arbeits-Team) der entsprechenden Vorbereitung:
Hier gilt es, sich entsprechend vorzubereiten und sich in dieser Vorbereitungsphase zu überlegen, welche Gegenargumente und Einwände von der Gegenseite zu erwarten sind. Ebenso sollte man sich darauf vorbereiten, welche möglichen Vorwürfe vom "Gegner" kommen könnten. In der Vorbereitung sollte man seine Argumente bzw. den Umgang mit Einwänden und Gegenargumenten planen und sich ein regelrechtes Repertoire von Argumenten, Statements und Antworten bereit legen, ebenfalls gute Fragen und Konterfragen. Denn wer fragt, führt!
Wichtig ist es, nicht um das Problem herumzureden, sondern den eigentlichen Grund des Streits bzw. des Konflikts zu erfassen, zu definieren und auf den Tisch zu legen. Ihre Argumente sollten
immer aus folgenden drei B-Teilen bestehen: Behauptung, Begründung, Beispiel. Aber natürlich können Sie auch Scheinargumente auffahren, um den Gegner zu blockieren, vom Grundsatz her zu
entkräften, zu beeinflussen oder auf die falsche Fährte zu locken. Die stärksten Argumente sollte man sich für den Schluss aufheben, so dass man einen wirkungsvollen Trumpf aus dem Ärmel ziehen
kann, wenn der „Gegner“ bereits "sein Pulver verschossen" hat.
Ganz wichtig ist, dass nicht vom Thema abgewichen wird. Bestimmte Argumente / Scheinargumente des Gegners könnten dieses häufig gebrauchte Ablenkungsmanöver mit Ablenkung auf Grundsätzliches
oder (unwesentliche) Details erzielen wollen. Auch mit subtilen Angriffen und Blockade-Techniken sollte man rechnen, diese erkennen, verbalisieren und als unfaire Technik offen legen.
Schlagfertigkeitstechniken sind ebenfalls ein probates Mittel, um dem "Gegner", der auf solche unfairen Techniken zurückgreift, zu
kontern und klare Kante zu zeigen - und zwar so, dass man selbst gut dabei wegkommt - und in den Augen Dritter die eigene Ruhe, Lockerheit, Gelassenheit und Souveränität sichtbar wird.
Ein unangenehmer "Gegner" wird nämlich genau dies zu verhindern versuchen - z.B. durch Angriffe ad hominem bzw. Angriffe auf die Person (siehe auch "argumentum ad hominem") oder Angriffe ad populum, wo die öffentlichen Meinung des "Gegner" in Misskredit gebracht werden soll. Beides sind Scheinargumente, die eine echte Diskussion tunlichst vermeiden - und mögliche Argumente des Gegners bereits vom Grundsatz (Image) her, als unseriös oder unglaubwürdig darzustellen. Denn auf dem Image einer Person oder einer Personengruppe basieren alle Wahrnehmungen.
Man selbst sollte es jedoch tunlichst vermeiden, auf derartige (erschreckend wirksame) Methoden - wie wir sie unter anderem in der aktuellen Politik und in politischen Talk Shows der öffentlich-rechtlichen Sender durch die Bank weg finden, zurückgreifen. Ein solches Verhalten ist schlichtweg unseriös, auch wenn die Rezipienten dies aufgrund ihrer Bildung zumeist überhaupt nicht durchschauen. Denn eigentlich gilt die Regel, dass man eine Person nie persönlich angreifen sollte, erst recht nicht vor anderen. Beschimpfungen und Beleidigungen wie sie in Fernseh-Talkshows von ARD und ZDF zu finden sind - oder in - von gewissen Privatsendern absichtlich vorgeführten - Primitiv-Streitgesprächen auf unterstem Niveau sollte man tunlichst vermeiden.
Ein Streitgespräch sollte immer auf der sachlichen Ebene stattfinden und auf dieser Sach-Ebene bleiben, auch bei einem privaten Streit - zum Beispiel ein Beziehungs-Streit: Stets sollten die Konflikt-Parteien bemüht sein, konstruktiv und auf Augenhöhe zu argumentieren, um eine konstruktive Lösung oder einen Kompromiss zu finden, mit der bzw. dem beide Streithähne leben können. Daher gilt: Je sachlicher das Streitgespräch geführt wird, desto näher die Lösung. Brodelnde Emotionen stellen in einem Streitgespräch die wohl größte Gefahr dar. Daher ist es wichtig, seine Emotionen im Zaum zu halten – auch wenn es noch so schwer fällt. Ein unfairer Gegner wird versuchen, dies zu verhindern. Er wird bemüht sein, einen aus der Reserve zu locken, damit man sein Gesicht verliert. Daher ist es wichtig, sich bei einem Streitgespräch nicht vom Gegner provozieren zu lassen - und von vorne herein eine bestimmte mentale Geisteshaltung einzunehmen. Mehr dazu später.
Bedenken Sie: Ein Streitgespräch ist kein Freifahrtschein für Beleidigungen - und sollte deshalb nicht von persönlichen Angriffen und Vorwürfen geprägt sein, vielmehr von einer sachlichen und objektiven Beschreibungen des Problems. Falls es einem schwer fällt, seine Gefühle zu kontrollieren oder gar im Zaum zu halten, sollte man auf folgende Techniken zurückgreifen:
Stecken Sie sich 1 Stunde oder eine halbe Stunde vor einem geplanten Streitgespräch einen Stift zwischen die Zähne, so dass sie sich ein künstliches Lächeln zaubern. Über die psychomotorische
Rückkopplung programmieren Sie sich damit positiv. Ein kurzes autogenes Training kann helfen, auch bei höchst unangenehmen Gesprächspartnern ruhig und gelassen zu bleiben - wenn Sie sich im
Gespräch an genau diese Formel erinnern und das Gefühl aus dem autogenen Training im Streitgespräch abrufen. Beginnen Sie dann im Streitgespräch Ihre Sätze zum Beispiel mit „Ich fühle …“ statt
mit „Du hast (nicht)" und machen Sie sich bewusst, dass es nicht darum geht, Recht zu haben und/oder Recht zu bekommen, sondern darum, möglichst zu gewinnen - oder alternativ einen fairen
Kompromiss herbeizuführen - eine Lösung, die für beide Konfliktparteien OK und nicht TOP ist.
Greifen Sie nicht zu negativer Kritik! Formulieren Sie Kritik positiv! "Ich fände es gut" ist besser als "Ich hasse..." . Positive Kritik sollte in einem Streitgespräch überwiegen. Befeuert man
den Konflikt-Partner mit wüsten Beschuldigungen, führt das kaum zu einer Lösung des Problems. Der andere fühlt sich angegriffen, in die Ecke gedrängt und schießt entweder zurück oder macht direkt
dicht.
Wenn Sie ein Streitgespräch führen, verpacken Sie Ihre (eigentlich negativ gemeinte) Kritik also besser mit positiven Formulierungen und manipulieren Sie das Gespräch so in eine positive, zumindest aber in eine neutrale Richtung auf der Sach-Ebene. Auch in einem Beziehungskonflikt: Heben Sie das Gute Ihres Partners hervor - das, was Ihren Partner ausmacht, und loben Sie seine positiven Seiten, ohne direkt auch die negativen Seiten aufzufahren. Bedenken Sie, dass es neben der empfohlenen Sach-Ebene auch noch drei andere Ebenen (Beziehungsebene, Appell, Selbstoffenbarung) gibt. Achten Sie darauf, auf welcher Ebene Sie selbst oder ihr Streit-Partner kommunizieren - und versuchen sie die drei anderen Ebenen möglichst zu versachlichen und Emotionen außen vor zu lassen.
Ein seriöser Streitgesprächspartner in einem seriösen Streitgespräch sollte nie „das Gesicht verlieren“ - wie dies von "modernen" öffentlich-rechtlichen Medien im Zuge der Propaganda erzielt werden soll, wo es darum geht, Menschen mit anderen (für das System unangenehmen) Meinungen vor anderen bzw. der Öffentlichkeit bloß zu stellen oder zu diskreditieren. Wer sich außerhalb dieser Medien und der aktuellen System-Politik daran hält, erfährt Wertschätzung und Respekt retour – und genau das sind gute Voraussetzungen für die Lösung eines Streites. Humor hilft ebenfalls: Eine Prise Humor – wenn angebracht – lockert das Gespräch auf und gibt ihm eine positive Richtung. Auch kann Humor die Wogen in einem Streitgespräch schnell glätten.
Beenden sollte man ein Streitgespräch möglichst mit einer konkreten, kurzfristigen Handlung, auch wenn diese vorab nur einen Kompromiss für beide Seiten darstellt. Damit setzt man ein deutliches Signal. Diplomatie ist ebenfalls wichtig. In diesem Zusammenhang sollte man den eigenen Status und den Status des Gesprächspartners hinterfragen. Nicht selten handelt es sich bei Streitgesprächen nämlich um regelrechte Status-Kämpfe. Daher sollte man auch den Bereich der Status-Kommunikation mit berücksichtigen. Dazu zählt unser Status, unser Status-Gefühl und unser Status-Gebaren. Bedenke: Nicht nur das Tier, sondern auch der Mensch ist ein soziales Wesen. Je nachdem welchen Status wir innehaben und welche Status-Haltung wir in einem Streitgespräch einnehmen, beeinflussen wir Respekt, Durchsetzung und Sympathien.
"Streitgespräch" klingt unangenehm. Doch Streitgespräche sind wichtig, damit Konflikte offen ausgetragen und bereinigt werden können, damit man (weiter) konstruktiv arbeiten oder erfolgreich zusammenleben kann, ohne dass Unausgesprochenes als subtiler Tumor weiter gärt und sämtliche Interaktion aus dem "Exil" heraus massiv beeinflusst. Auch geht es um Lösungen - möglichst konstruktiver Art. Also sollte man lösungsorientiert argumentieren. Angesichts dessen, was uns in den Medien oft vorgeführt wird, haben wir dies zumeist verlernt und uns die unseriöse Streitkultur (besser: Verunglimpfungs- und Vernichtungs-Kultur) subtil abgeschaut und übernehmen dies.
Bedenken Sie: Oft geht es in Streitgesprächen nur um eine Kleinigkeit, sie sich plötzlich hochschaukelt. Versuchen Sie, die Kleinigkeit zu erkennen, aber nicht als "Kleinigkeit" zu verbalisieren. Für Ihren Gesprächspartner kann auch eine Kleinigkeit eine "große Sache" bedeuten, an der er sich aufhängt. Manchmal gilt es aber auch, etwas Größeres auszudiskutieren. Entscheidend bei einem Konfliktgespräch ist nicht das Warum, sondern vor allem das Wie. Die Zuweisung der Sündenbock-Rolle, Vorurteile oder Vorausurteile sind einem "erfolgreichem" Streit nicht dienlich, ein Perspektivenwechsel aber schon. Schließlich ist es hilfreich, sich in die Gefühle, Wünsche, Sorgen, Ängste und Bedürfnisse des Streitpartners bzw. der Konfliktparteien empathisch einzufühlen. Ein ganz wesentlicher Bestandteil eines Streitgespräches ist die Argumentation.