Was ist Rhetorik?
Der Begriff "Rhetorik" leitet sich aus dem Altgriechischen ab. Im antiken Griechenland liegt zugleich der Ursprung der Rhetorik. Übersetzt bedeutet Rhetorik „Redekunst“ bzw. „Kunst der
Beredsamkeit“. Es ist die Lehre von der Rede, ihrem Aufbau, den Ausdrucksmitteln und Stilformen.
Geschichte
Die alten Griechen waren die ersten Menschen, die sich wissentlich und detailliert mit der Kunst des Redens beschäftigten und das öffentliche Reden professionalisierten. Die Rhetorik entstand
zusammen mit der Staatsform der Demokratie. Diese lebt von der freien Rede als Instrument demokratischen Handelns. Grammatik, Rhetorik und Dialektik waren in der griechischen Antike die drei
wichtigsten "Freien Künste". Warum war dies so? Als freier Bürger musste man lesen und schreiben können (Grammatik), in der Öffentlichkeit seine Meinung sagen können (Rhetorik) und seine Meinung
schlüssig und mit guten Argumenten in Rede und Dialog vertreten können (Dialektik). Das "Reden können" wurde teilweise als Handwerk, teilweise als Kunst gesehen. Durch ihre Redekunst wurden
einige Redner berühmt z.B. Lykurg, Lysias, Isokrates und Demesthenes. Auch wurden Regeln aufgestellt: Die so genannten "Sophisten" schufen bereits um 500 v. Christus Regeln für das Reden und
Argumentieren.
Sinn und Zweck der Rhetorik
Die Beherrschung einer guten Rhetorik macht es möglich, Menschen von seiner Aussage zu überzeugen, Reden zu halten, denen die Zuhörer gerne aufmerksam zuhören und Inhalte des Gesagten auch im
Gedächtnis zu behalten. Bereits im antiken Griechenland wusste man in Bezug auf demokratische Debatten oder öffentliche Gerichtsverhandlungen: Je überzeugender man seinen Standpunkt vortragen
konnte, desto wahrscheinlicher war es, dass man Recht bekam.
Rhetorik heute
Rhetorik ist wieder voll im Kommen. Dies liegt nicht zuletzt an der Wichtigkeit der Rhetorik in der heutigen Arbeitswelt, die hohe Anforderungen an uns stellt. Neben entsprechendem Fachwissen
brauchen wir in unterschiedlichsten Berufen vor allem eine gute Kommunikations- und Dialogfähigkeit. Dennoch gibt es im deutschen Sprachraum eine regelrechte "Rhetorik- und Kommunikationslücke".
Viele Menschen drücken sich davor, vor anderen eine Rede zu halten oder optimal zu kommunizieren. Schuld ist unser Erziehungssystem, was uns nicht gerade dazu anhält und uns entsprechend
motiviert - wie dies z.B. im anglo-amerikanischen Raum der Fall ist. Hier lernen junge Menschen bereits sehr früh, vor anderen zu sprechen und dies gut zu tun.
Unser deutsches Bildungssystem überlässt es jedoch eher dem Zufall, ob man ein guter Redner wird oder nicht. Gute und geglückte Kommunikation ist aber nicht nur im Berufsleben von Bedeutung: Auch
im Privatleben ist es wichtig, mit anderen zu kommunizieren, seine Meinung zu vertreten, sich zu behaupten und sich durchzusetzen. Insofern trägt Rhetorik-Wissen ein hohes Maß zu unserer
Persönlichkeitsentwicklung bei. Dies allein ist Grund genug, um sich mit dem Thema Rhetorik zu befassen.
Entstehung und Entwicklung der Rhetorik
Weil man diese Erkenntnis auch früher begriff, wandten sich Menschen bereits damals an Redekünstler und Redelehrer. Einer von ihnen war Korax. Er lebte im 5. Jahrhundert vor Christus auf
Sizilien. Er und sein Schüler Teisias gelten als Begründer der modernen Rhetorik. Korax hielt nicht nur Reden: Er analysierte die Rhetorik und stellte entsprechende Theorien darüber auf, welche
er nachfolgend lehrte. Entsprechende Verweise zu seinen Erkenntnissen und Würdigungen seiner Person findet man in den Schriften weiterer großer Philosophen und Redner der Antike wie z.B. Platon,
Aristoteles und Cicero. Die Werke des Letztgenannten, der von 106 – 43 v. Christus lebte, („De inventione“ und „Rhetorica ad Herennium“) bildeten vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit zugleich
die fundamentale Grundlage des Rhetorik-Unterrichts und eines Universitätsstudiums an sich.
Im Verlaufe der Jahrhunderte wandelte sich die Rhetorik: So gab es Zeiten, in denen die Rhetorik den Pomp bevorzugte (z.B. Barock) oder Zeiten, in denen sie eher auf Einfachheit und Klarheit
ausgerichtet war (Zeitalter der Aufklärung). Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins 19. Jahrhundert hinein verlor die klassische Rhetorik zeitweise an Bedeutung. Man stand ihr sogar ablehnend
gegenüber. Eine Renaissance erlebte die Rhetorik dann im 20. Jahrhundert. Hier wurde sie bekannterweise auch zu Propagandazwecken genutzt. Auch heute ist sie Bestandteil unterschiedlichster
Studiengänge und bedeutender Bestandteil der modernen Linguistik. Auch in der Wirtschaft (interne und externe Unternehmenskommunikation, Verkauf und Vertrieb) sowie in der Politik und
Öffentlichkeitsarbeit ist die Rhetorik kaum noch wegzudenken.
Rhetorik: Wissenschaft, Kunstform und Handwerk
Mit der Art und Weise eines wirksamen Vortrages beschäftigt sich die Wissenschaft. Der Fokus liegt bei Methodik und
Stilmitteln einer guten Rede. Die Kunst der Rhetorik liegt darin, eine Botschaft so überzeugend rüberzubringen, dass der Empfänger von der vermittelten Meinung auch wirklich überzeugt ist, diese
im Idealfall übernimmt und anschließend sogar auch danach handelt. Insbesondere in der Politik sowie im Verkauf und Vertrieb gehört die Rhetorik zum alltäglichen Handwerkszeug.
Wichtigkeit der Rhetorik
Ein guter Rhetoriker kann seine Ideen und Meinungen wirkungsvoll platzieren und umsetzen, allein dadurch, dass er sein Gegenüber motiviert und überzeugt, selbst dann, wenn seine Zuhörer Zweifel
an den Ideen haben oder anderer Meinung sind. Berühmte Rhetoriker wie z.B. Cicero waren in der Lage, Menschenmassen von ihrem eigenen Standpunkt 100 %ig zu überzeugen, selbst dann, wenn sie einen
Tag zuvor das genaue Gegenteil proklamierten. Daher ist Rhetorik als "angewandte Redekunst" aus Politik und Wirtschaft nicht wegzudenken.
Durchsetzung und Überzeugung
Wer seine Ideale durchsetzen möchte, muss sie überzeugend vermitteln. Wer Krisen meistern will, der muss diese so kommunizieren, dass man selbst aus der Krise noch einen Gewinn zieht. Einer der
wohl bekanntesten - wenn auch irrwitzigsten - Reden in dieser Hinsicht ist die Rede von Joseph Goebbels am 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast ("Wollt Ihr den totalen Krieg"), in der er aus
der anstehenden Niederlage noch etwas Positives ziehen will und die Zuhörer in auswegloser Situation zum Handeln aufruft bzw. motiviert, obwohl das Handeln längst vergeblich war.
Eine rhetorisch gelungene Rede...
...zeichnet sich nicht nur durch den Textinhalt bzw. das verbal gesprochene Wort aus, sondern durch die Art und Weise des Sprechens an sich. Die visuellen körpersprachlichen Aspekte sind ebenso
von herausragender Bedeutung. Hinzu kommt die Kunst, die Zuhörer im richtigen Moment bzw. an der richtigen Stelle mitzureißen oder zu beschwichtigen. Schließlich geht es um das Wecken und Steuern
von Emotionen. Exakt diese sind es, die nach neurowissenschaftlichen Erkenntnissen sämtliche Entscheidungen und nachfolgenden Handlungen maßgeblich beeinflussen. Dies erfordert auch einen klaren
durchstrukturierten Aufbau, Steigerungen und Pausen, jeweils an den passenden Stellen.
Erzeugen von Emotionen
In der Rhetorik geht es nicht nur um die Überzeugung anderer Menschen, sondern um Manipulation bzw. Beeinflussung an sich. Dies geschieht am besten das Erzeugen von Gefühlen im Motivations- und
Emotionssystems unseres Gehirns (Limbisches System). Schließlich geht es auch um die Vermittlung und Steuerung von Gefühlen zu unterschiedlichsten Anlässen.
Unterschiedliche Anlässe
Rhetorik im Vertrieb dient der Überzeugung im Verkauf und soll entsprechende Kaufentscheidungen positiv beeinflussen, während Rhetorik im Einkauf das Preis-Leistungsergebnis zu Gunsten des
Einkäufers beeinflussen soll. Rhetorik im Unterricht dient der erhöhten Aufmerkamkeit und Lernfähigkeit der Schüler, während Rhetorik in der Erziehung entsprechende Erziehungsziele maßgeblich
positiv beeinflussen soll. Während eine Kampfrede aufwühlen, motivieren und ggf. sogar zur Revolte anstacheln soll, geht es in einer Trauerrede um Trauer, Ruhe, Andacht, Wertschätzung, Würde und
Trost.
Während ein guter Kampfredner selbst jene Menschen, gegen die er kämpft, mit ins Boot holt und auf seine Seite zieht, schafft es ein guter Trauerredner bei seiner Trauerrede, selbst jene Menschen zu rühren, die mit dem Verstorbenen überhaupt nichts zu tun hatten. Manchmal ist aber auch im Falle der Trauer und Sorge die Intention eine ganz andere: Dann geht es ggf. darum, aus dem Gefühl der Trauer, Sorge und Niedergeschlagenheit das Gefühl der Freude zu wecken und selbst dem Tod noch etwas Positives, gar verheißungsvolles abzugewinnen, auf das sich die Menschen freuen. Einem guten Rhetoriker gelingt auch das. Nicht nur Jesus war dafür ein gutes Beispiel.
Schattenseiten der Rhetorik / Beispiele aus der Geschichte
Weniger glanzvolle Beispiele für die Umkehr von Emotionen durch geschickte Rhetoriker bietet die Geschichte zu Haufe. So schaffte es der Wiedertäufer Jan van Leiden bzw. van Leyden (mit echtem
Namen Jan Beuckelszoon oder Beukelszoon) (1509 - 1536) sich vom Schneider, Schankwirt, Sänger, Dichter und Schauspieler mit Hilfe der Rhetorik zum Führer der Stadt und zum König des Täuferreichs
von Münster küren zu lassen. Hier nahm er als Johann I. den Königstitel an, errichtete das Königreich Zion und umgab sich mit einem glänzenden Hofstaat, während sich die wohlhabenden Bürger der
Stadt zur Armut bekennen sollten und alles Geld und Gut sowie die Frauen an ihn und seine 12 Aposteln abtraten. Zusammen mit seinem Statthalter und Scharfrichter Bernd Knipperdolling und seinem
„Reichskanzler“ Heinrich Krechting übte er eine brutale Schreckensherrschaft aus, erstickte jeden Widerstand durch Hinrichtung, die freudig gefeiert wurde, ließ in Vorbereitung auf die angeblich
"nahende Endzeit" sämtliche Bücher bis auf die Bibel verbrennen, schaffte das Geld ab, führte eine Gütergemeinschaft ein und dazu die Todesstrafe bei Verstößen gegen die Zehn Gebote.
Was Jan van Leyden damals erreichte, schaffen heute fundamentalistische Hassprediger zum Zwecke der Errichtung eines islamischen Staates. Sie schaffen es, selbst christlich geprägte, moderne deutsche Staatsbürger mit ihrer geschickten Rhetorik auf ihre Seite zu ziehen, sich lange Bärte wachsen zu lassen, öffentlich einen Kaftan zu tragen und in den heiligen Krieg zu ziehen, wo bei ihrem freudigen Ableben unzählige Jungfrauen im Paradies warten.
Ein ähnlich wirkungsvoller Rhetoriker im negativen Sinn war Adolf Hitler: Vom Kleinkünstler zum Reichskanzler und selbsternannten Feldherrn an allen Fronten mit dem Ziel, die Weltherrschaft an
sich zu reißen und seine Ideale auszuleben, ist er so weit gekommen, dass dies schließlich 50 Millionen Menschenleben gekostet hat. Selbst die Wende bzw. der Verlust der 6. Armee bei Stalingrad
wurde von ihm rhetorisch so aufgearbeitet, dass die völlige Niederlage mittels einer verheißungsvollen Rede zu einer heldenhaften Ruhmesfeier umgemünzt wurde. Noch kurz vor seinem Untergang bzw.
dem Untergang des Deutschen Reiches war er trotz seiner körperlichen und mentalen Gebrechen rhetorisch in der Lage, seine Getreuen zu motivieren und in der bekanntlich ausweglosesten Lage an
Chancen glauben und weiterkämpfen zu lassen.
Wer sich allein an die politischen Rhetoriker aller Epochen erinnert, weiß, wozu die Rhetorik fähig ist, im Guten wie im Schlechten.
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